Das Forschungsprojekt
Die Creditionenforschung ist ein interdisziplinäres und internationales Forschungsprojekt, das unter dem englischen Namen Credition Research Project bekannt ist. Es wurde 2011 an der Universität Graz etabliert. Die Forschungsstrategie wurde von Anfang an in enger Kooperation mit der Neurologischen Klinik der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf entwickelt. Seither hat sich ein breit gefächertes und global verbreitetes Credition Research Netzwerk gebildet, in dem Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Universitäten zusammenarbeiten. Die Initiative Gehirnforschung Steiermark (INGE St.) hat das Credition Research Project seit seinem Beginn unterstützt und zum 10-jährigen Bestehen des Projekts eine Jubiläumsbroschüre herausgegeben.
Forschungsrichtungen
Das Credition Research Project hat drei Forschungsrichtungen: Grundlagenforschung, Anwendungsforschung und Implementierungsforschung.
Die Grundlagenforschung ist an der biologischen und neurophysiologischen Grundstruktur von Creditionen interessiert. Ein spezielles Interesse liegt dabei auch auf den philosophischen Grundlagen neurowissenschaftlicher Forschung.
Die Anwendungsforschung ist an der Umsetzung der neurophysiologischen Erkenntnisse in praktische Anwendungsmöglichkeiten interessiert. Sie sondiert, in welchen Handlungsfeldern Creditionen eine Rolle spielen. Da bei allen Menschen Creditionen täglich unzählige Male aktiviert sind, kann das Wissen über Creditionen fast überall Anwendung finden.
Die Implementierungsforschung ist daran interessiert, wie sich die Integration von Wissen über Creditionen in einem Handlungsfeld auswirkt. Die Implementierungsforschung kann sich auf zwei Creditionen-Modellen stützen. Welches anwendbar ist, hängt von der gewünschten Art der Anwendung ab.
Zwei funktionale Prozessmodelle
Das Credition Research Project hat zwei unterschiedliche Modelle entwickelt, um den Ablauf von Creditionen darzustellen. Beides sind funktionale Prozessmodelle, d.h. ihre Darstellung bezieht sich sowohl auf die (physikalischen) Prozesse, als auch die biologischen oder mentalen Funktionen, die diese Prozesse haben. Die Graphiken zu diesen Modellen sind bislang nur in Englisch erschienen.
Neurales Creditionen-Modell
Aus der Grundlagenforschung stammt ein Modell, das die neurophysiologischen Zusammenhänge in ihrem zeitlichen Ablauf beschreibt. Dabei können auch klinische Störungen von Creditionen abgebildet werden. Das Modell wurde kontinuierlich erweitert und optimiert. Die Entwicklung lässt sich anhand der Abbildungen in den verschiedenen Publikationen nachvollziehen, die allmählich immer weiter ausdifferenziert wurden. Das aktuelle Modell (engl./dt.) stammt aus dem Beitrag Credition and the neurobiology of belief: the brain function in believing.
Die Entwicklung des Modells machte es erforderlich, auch neue Termini einzuführen. Um die Lektüre der Publikationen zu erleichtern, sind wichtige Termini in einer Übersicht graphisch zusammengestellt (engl./dt.).
Kommunikationsmodell-Credition
In kommunikativen Zusammenhängen spielen Glaubensvorstellungen nicht selten eine oft unbemerkte Rolle. Das kann in so unterschiedlichen Bereichen der Fall sein wie z.B. in Mediation, Coaching, Psychotherapie, Entscheidungsplanung, politische Debatten, Nachhaltigkeits- und Klimadebatten, Konfliktlösung, Versöhnungsarbeit oder schulischer Unterricht. Die Anwendungsforschung hat ein auf alltagspraktisches Arbeiten ausgerichtetes Modell entwickelt:
Der Glaubensvorgang beginnt mit Wahrnehmung und endet in einem “Handlungsraum”, in dem Entscheidungen vorbereitet werden. Die verwendeten Termini sind nicht mit klassischen Ausdrücken von Glaubenstheorien identisch. Sie sollen vielmehr eine formalisierte Darstellung des Glaubensvorgangs ermöglichen. Das heißt: In allen Gesprächen über Glauben kann man das Modell anwenden, weil sich mit seiner Hilfe problemlos jeder x-beliebige Glaubensinhalt sowie jede Emotion artikulieren und sogar visualisieren lässt. Das erlaubt einen nicht-abwertenden Austausch über die individuellen Glaubensvorgänge, über deren Resultate (= Glaubensinhalte) sowie über die subjektiv-emotionale Bedeutung, die mit dem Glaubensvorgang und seinem Resultat (= Glaubensinhalt) verbunden ist.
Der Weg von der Alltagssprache zur Modellsprache ist beschrieben in: Hans-Ferdinand Angel: Credition-Fluides Glauben, 2022, S. 641-644.
Ein zentraler Terminus des Modells ist “Bab”. Er bezeichnet die kleinste Einheit und ist der Grundbausteein des Modells (engl./dt.). Jeder Bab ist durch vier Charakteristika gekennzeichent. Sie zu kennen ist Voraussetzung dafür, dass die Rolle von Babs einsichtig und verständlich wird. Babs spielen in allen Grundfunktionen des Glaubensvorgangs eine Rolle. Es gibt vier Grundfunktionen: die drei als supramodal angesehene Enclosure-, Converter- und Stabilizer-Function sowie die Modulator-Function, die die subektiv-individuelle Dimension jedes Glaubensvorgangs repräsentiert (engl./dt.).
Diese Zusammenhänge sind beschrieben in: Hans-Ferdinand Angel: Credition-Fluides Glauben, 2022, S. 644-657).
Das Modell lässt sich gewinnbringend in allen Handlungsfeldern einsetzen, in denen es um Kommunikation geht. Bisherige Handlungsfelder, in denen der Einsatz der Einsatz des Modells erprobt wurde, sind z.B. Technik, Medizin oder Wirtschaftswissenschaft.
Hinweise zum praktischen Arbeiten mit dem Modell finden sich in: Hans-Ferdinand Angel: Credition-Fluides Glauben, 2022, grundlegend S. 634-657 und anhand praktischer Beispiele S. 723-740.
Struktur des Forschungsprojekts
Am Credition Research Project sind in Forscher:innen aus verschiedenen Universitäten in Europa, Amerika, Asien und Afrika beteiligt. Sie stehen in teilweise sehr engem Austausch untereinander. Am Universitätsstandort Graz sind die Universität Graz, die Technische Universität und die Medizinische Universität am Forschungsprojekt beteiligt.
Headquarter
Das Headquarter des Credition Research Project ist seit seiner Etablierung im Jahre 2011 an der Universität Graz angesiedelt. Seit 2023 liegt die Headquarter-Koordination für den Standort Graz beim Institut für Psychologie. Koordinator des Headquarters Graz ist Prof. Dr. Aljoscha Neubauer.
Wissenschaftliche Leitung
Die wissenschaftlichen Leiter sind Prof. Dr. Hans-Ferdinand Angel (Universität Graz) und Prof. Dr. Rüdiger J. Seitz (Heinrich-Heine Universität Düsseldorf).
Wissenschaftlichen Beirat
Das Credition Research Project hat seit seiner Etablierung einen wissenschaftlichen Beirat. Im Jahre 2023 wurde er neu konstituiert.
Wissenschaftlicher Beirat 2011 - 2022
Wissenschaftlicher Beirat seit 2023
CreditionLabs
Am Standort Graz wurden zwei CreditionLabs eröffnet, eines an der Technischen Universität (2018), eines an der Medizinischen Universität (2024).
Arbeitsweise des Forschungsprojekts
Disziplinäre und transdisziplinäre Forschung:
Aufgrund der drei Forschungsrichtungen sowie der Vielzahl wissenschaftlich relevanter Gebiete erfolgt die Creditionen-Forschung zum Teil als disziplinäre Forschung (z.B. in der Neurowissenschaft, Medizin, usw.), zum Teil als transdisziplinäre Forschung, die aus der Vielzahl der Zugänge ein grundlegendes und empirisch verlässliches Gesamtverständnis von Creditionen entwickelt. Zur systematischen Weiterentwicklung des Creditionen-Konzepts dienen vor allem die regelmäßigen Kongresse.
Kongresse des Headquarters Graz
Seit der Etablierung im Jahre 2011 werden jährlich Kongresse veranstaltet. Forschungsstrategie und Forschungsfortschritt lassen sich an den Kongressthemen und deren Programmen verfolgen.
Die Grundlagenkongresse The Structure of Credition finden in der Regel in Graz statt.
Die Kongresse zur Anwendungs- und Implementierungsforschung werden meist an anderen Universitäten veranstaltet.
Auch der große Jubiläumskongress 2021 zum 10-jährigen Bestehen des Credition Research Project wurde von der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf organisiert und von der VolkswagenStiftung im Schloss Herrenhausen (Hannover) ausgerichtet.
Vorträge und Panels auf auswärtigen Kongressen
Mitglieder des Credition Research Project präsentieren die Ergebnisse der Creditionenforschung immer wieder bei Vorträgen oder in Panels auf internationalen Kongressen.
Die Publikationen zu Creditionen stammen sowohl aus dem Bereich Grundlagenforschung wie auch aus dem Bereich Anwendungsforschung.
Sie erscheinen in der Regel in high-ranked Journals, wie etwa Sustainability; Brain and Behavior; Religion, Brain & Behavior; Journal of Neuropsychology; Journal for the Cognitive Science; Brain and Cognition; dem von Oxford Academic herausgegebenen Function, oder dem vom MIT herausgegebenen Journal of Cognitive Neuroscience.
Die Publikationen verzeichnen eine erfreulich hohe Zugriffsrate. So konnte die im Anschluss an den in Hannover veranstalteten Jubiläumskongress entstandene Publikation Credition - An Interdisciplinary Approach to the Nature of Beliefs and Believing, die im Juli 2023 bei Frontiers in Behavioral Neuroscience als e-book erschienen ist, in kurzer Zeit über 130.000 Views verbuchen. Auch der bei Academia Biology erschienene Beitrag Credition and the neurobiology of belief: the brain function in believing registrierte in nur einem halben Jahr rund 10.000 views.
Die Referent:innen: Internationale und disziplinäre Vielfalt
Die Referent:innen, die auf den Kongressen der drei Forschungsrichtungen (Grundlagen-, Anwendungs- und Implementierungsforschung) Vorträge gehalten haben, finden Sie in alphabetischer Reihenfolge hier:
CreditionLabs
CreditionLabs sind Bestandteile des Credition Research Network. In einem CreditionLab wird dem Thema Credition besondere Bedeutung in Forschung und Anwendung zugemessen.
Das erste CreditionLab wurde 2018 an der Technischen Universität Graz eröffnet (Institut für Maschinenelemente und Entwicklungsmethodik). Leiter ist Prof. Dr. Hannes Hick.
Ein zweites CreditionLab gibt es seit 2024 an der Medizinischen Universität Graz (Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie: Leitung Prof. Dr. Eva Reininghaus). Es ist Bestandteil des Forschungsbereichs Cognition Research. Die Leiterin des CreditionLab: Section Cognition Research ist Prof. Dr. Nina Dalkner.